Paola A. Lattarulo
Uralt ist die Bearbeitung der Metalle, sie wurde bereits in prähistorischer Zeit unternommen. Aber erst am Ende des VI Jahrhunderts vor Christus im Bereich des alten Griechentums konnte sie sich verfeinern, und z.B. vom kalten Behämmern von Metallplatten zu einer richtigen Gieβtechnik übergehen, um groβe Skulpturen zu erzeugen. Noch heute im XXI Jahrhundert gründet sich die Prozedur des Bronzegieβens mittels verlorenen Wachses, wenn auch mit einigen Änderungen, auf das in der Vergangenheit benützte Prinzip. Diese Änderungen betreffen besonders Arbeitsgänge mit modernen Materialien und wirkungsvollere Anwendungen. Der Guss läβt wieder treu (auβer den feinen Endbearbeitungen) das vom Künstler gedachte und gestaltete Model entstehen. Es ist eine nicht leicht ausführbare Technik, die dem Gieβer obliegt. Selten sind Bildhauer und Gieβer dieselbe Person.
Bei der Gusstechnik mit verlorenem Wachs wird eine Skulptur aus Wachs hergestellt und mit einem Negativ aus Schamotterde umgeben. Das ganze kommt in den Ofen, wo das Wachs verbrennt, in den entstandenen Hohlraum wird die flüssige Bronze gegossen.
Für Statuetten von kleineren Dimensionen hat man immer die volle Gieβung gebraucht: das heisst, das Model des Künstlers wird in Wachs hergestellt und nachdem die Verteilungs- und Abzugskanäle angebracht worden sind mit einer Schamotterdeschicht umgeben und in den Ofen gestellt; das Wachs wird flüssig, verbrennt und es entsteht ein Hohlraum, der gemäβ der jeweiligen Legierung mit einem mehr oder minder flüssigen Metall gefüllt wird.
Für gröβere und ganz groβe Statuen ist die Prozedur anders.
Wenn die Figur besonders groβ und gegliedert ist, wie zum Beispiel die berühmte Reiterskulptur des römischen Kaisers Mark Aurel, wird der Guss nicht in einem Stück vollzogen, sondern später in mehreren Teilen zusammengehalten; durch Zapfen, Nägel, Schrauben oder Schweiβungen. Bei dem erwähnten Mark Aurel ist das Pferd vom sitzenden Kaiser gesondert. Die Renaissancegruppe Judith und Holofernus von Donatello ist aus zehn einzeln gegossenen Stücken zusammengesetzt.
Bei dem Hohlraumgieβens benötigt die Prozedur ein Inneres aus Schamotterde.
Dieses Innere – anima oder auf deutsch Kern der Skulptur – wurde im Laufe der Geschichte verschiedenartig erzeugt. Zwei fundamentale Systeme können wir hier anführen. In der älteren Epoche stellte der Künstler die anima, mit der nötigen eisernen inneren Verstärkungsrüstung, aus Schamotterde her, die etwas knapp modelliert wurde, damit der Wachsauftrag das Werk wiedergab, wie es dann in Bronze herauskommen sollte. Dieses System erlaubt nur ein Exemplar der Skulptur zu erhalten mit dem Risiko, wenn beim Gieβen etwas nicht klappte, das ganze Werk verloren ging. Aber schon dreihundert Jahre vor Christus bediente sich der Bronzegieβer, um diese Inkonvinienz zu umgehen, einer anderen Methode, mit der das Model nicht verloren ging (das Negativ aus Einsetzstücken). Das System der Einsetzstücke wurde nach Jahrhunderten der Vergessenheit in der Renaissance wieder aufgenommen. Bei dieser Methode,
Methode wird das Model aus Tonerde hergestellt und mit einzelnen Gipsstücken besetzt. Ist der Gips erhärtet, so wird aus diesem die Negativform zusammengestellt, deren inneren Wände man mit einer sich stark anhaftenden Wachsschicht bekleidete. Dieser Prozess ist umgekehrt von dem beschriebenen älteren. Bis heute ist diese letzte Methode, bei der der Hohlraum mit Erde gefüllt wird, gebräuchlich. Nach dem Guss müsste die Erde herausgenommen werden, damit sie sich nicht entstellend auf die Patina auswirkt, sie fleckig macht und die Ansicht der Skulptur beeinträchtigt. Das Entfernen der Erde ist keine leichte Sache und oft, ja noch heute, findet man in alte Skulpturen, die Reste von Schamotterde beinhalten, so wie es bei den Bronzen von Riace gewesen ist. Nach dem Guss des Werkes kommt es zurück in die Hände des Künstlers für die Feinbearbeitung im erkalteten Zustand. Diese letzte Phase kann schwierig sein, gemäβ der gebrauchten Legierung. Ihre Zusammensetzung aus unterschiedlichen Prozenten Zinn, Kupfer, Zink ist grundlegend für die Bronzegieβkunst. Normalerweise benützt man eine Legierung mit hohem Kupfergehalt. Sind die Prozente von Zink.oder Zinn hoch, wird die Bronze im Gieβzustand eine starke Flieβkraft haben, man erhält dann eine perfekte Haftung des Metalls im Innern der Form; doch es entsteht auch ein sehr zarter, zerbrechlicher Guss, der im erkalteten Zustand vom Künstler nur mit groβen Beschwerlichkeiten bearbeitet werden kann. Umgekehrt die armen Legierungen mit einem hohen Prozentsatz von Kupfer circa 90% erzeugen im Gusszustand eine schwächere Flieβkraft -und ermöglichen dem Künstler eine leichtere Feinbearbeitung an der gegossenen Figur.Es ist klar, dass die Wahl der Legierungsart zu verschiedenen Resultaten führt: Die flüssigeren Legierungen geben die vom Künstler gewollten Formen sicherlich am treuesten zurück, aber die schöpferische Arbeit hört dann mit der ersten Phase auf.
Die weniger flüssigen Legierungen lassen auch weniger getreue Formen entstehen, aber erweitern die künstlerische Arbeit bis zum Schluss mit einem wahren Zisillierungswerk an der erkalteten Skulptur. Vom künstlerischen Standpunkt aus ist es äuβerst interessant, dass der Hohlformguss, sicherlich komplizierter als der Vollguss, die Schöpfung sehr dynamischer Skulpturen ermöglicht, die sich besonders effektvoll in den Raum fügen. Anders ausgedrückt, es entsteht zwischen Skulptur und Raum eine wirkliche Beziehung, das eine korrespondiert mit dem anderen. Der Künstler ist also freier zu schaffen Skulpturen in Bewegung, weniger steif in der Haltung, Skulpturen die den Raum lebendig und expressiv machen: der Raum, der die Skulptur umgibt, ist keine Leere mehr, aber etwas umgekehrtes er wird Teil der künstlerischen Schöpfung. Es ist vielleicht von Interesse dazu zu bemerken, dass man bei den mit Einsetzstücken verfertigten Bronzen Spuren von den Fingerabdrucken, die beim Heranpressen des Wachses an die Form entstanden sind, in der Bronze erkennen kann. Mit dieser Methode kann man auch mehrere Exemplare herstellen.
Die Techniken und Arbeitsgänge sind heutzutage, wie man sich denken kann, reicher an Einzelheiten gegenüber der älteren Prozedur; zum Beispiel wird heute der Gips durch Gelatine und synthetische Stoffe ersetzt. Nun liegt es auf der Hand, dass die Bronzegieβkunst sich nicht nur auf die Erzeugung von Skulpturen beschränkt, aber auch bei den angewandten Künsten gebraucht wird, angefangen von den Bronzetüren, sehr verbreitet im Mittelalter, der Glockengieβung bis zu kleinen Gegenständen des heiligen oder profanen Gebrauchs, Besteck aus Zinn, Artilleriebedarf usw. Jedenfalls kann der Gieβprozess sich auch über Jahre hinziehen, (Man denke an die Türen des Ghiberti für das Battistero von Florenz), gar nicht zu reden von den hohen Kosten
die sich nicht nur auf die Materialien, aber auch auf die Arbeit des Künstlers und des Gieβers beziehen. Dieser ist nicht nur ein Handwerker, sondern in seiner Art ein Künstler, mit groβer Aufmerksamkeit muss er auch nach dem Guss eine Reihe von Operationen verfolgen: Den Bronzeguss von der Schamottform lösen, vorsichtig die verschiedenen Abzugskanäle wegnehmen.
Die Phase mit den Feinbearbeitung im erkalteten Zustand ist auch wichtig, um kleine Mängel und Gieβfehler zu korrigieren (kleine Höhlungen, Unregelmäβigkeiten der Oberfläche usw. ) Aber sie ist auch dazu bestimmt, einzelne Stellen mit der Grabstichel zu bearbeiten. (Diese ist geeignet, die Körperformen, Kanten usw. besser herauszuholen, der bulino (Ankörner) für dünne Linien, wie bei einer Graffitzeichnung oder zur Bearbeitung der Haare.) Die Skulptur wird darauf dem Prozess des Patinierens im warmen oder kalten Zustand unterzogen, um die Eigenart des Metalls hervorzurufen. Das Patinieren, muss man betonen, ist nicht nur eine einfache Färbung der Oberfläche (z.B. kann die Patina gold oder silberartig sein); sie kann einen Effekt von Antiquität hervorbringen, sie kann die ganze Oberfläche verändern durch transparente Lackierungen,(wie z.B. die rote Lackierung in der Werkstatt des Gianbologna in der manieristischen Epoche). Besonders erlesen ist die mögliche Ausschmückung im Hinblick auf verschiedene Körperteile. Tatsächlich können Bruchstücke (Splitter) bestimmter Materialien wie Elfenbein, Steine, Glaspaste, Kupfer, Silber manche Einzelheiten, besonders im Auge, besser hervorkehren. Die Bronzegieβkunst in all ihren Phasen, vom Entwurf bis zur wirklichen Arbeit, vom Guss in die Schmelztiegel, bis zu den letzten Feinarbeiten, ist bestimmt eine komplizierte Technik, die verschiedene Möglichkeiten und Varianten in sich birgt. Ebenso schwierig ist aber auch das Kapitel der Restauration und Erhaltung der Bronzen. Jetzt gebraucht man die modernsten Systeme, um die Gründe des Verfalls zu analysieren und sicherzustellen, und die Eingriffe werden oft mit besonderen technischen Mitteln gemacht, wie im Falle der Restauration der erwähnten Bronzen von Riace.